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Verkaufen ist schwierig, wenn der Kunde nicht weiß, was er will?

Markt machen heißt, Selbstverständliches in Frage zu stellen

Die „Legende vom gesättigten Markt“ entsteht durch gedankliche Muster, die ich in „7 Kapitel von begrenzenden Selbstverständlichkeiten“ zusammengefasst habe.
Diese Selbstverständlichkeiten bauen aufeinander auf, beeinflussen und bedingen einander. Ihre Kultivierung täuscht Marktsättigung vor.

Kapitel 1 Wachstum ist eine Gerade nach oben? lesen Sie hier.
Kapitel 2 Kennen wir unser Geschäft und unseren Markt wirklich? lesen Sie hier.
Kapitel 3 Mehr können wir für unsere Kunden nicht tun? lesen Sie hier.
Kapitel 4 Mit unserer Leistung lösen wir die Probleme der Kunden? lesen Sie hier.
Kapitel 5 Es gibt immer einen guten Grund bei uns zu kaufen? lesen Sie hier.

Kapitel 6: Verkaufen ist schwierig, wenn der Kunde nicht weiß, was er will?

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Sechste begrenzende Selbstverständlichkeit: Verkaufen ist schwierig, wenn der Kunde nicht weiß, was er will

Für viele Verkäufer gehört es zu den mühsameren Momenten ihres Jobs, wenn sie einen Kunden vor sich haben, der nicht weiß was er will. Dann stoßen sie mit ihren Handlungsmöglichkeiten schnell an vermeintliche Grenzen. Und manchen verdirbt das sogar die Freude an der Kundenbetreuung. Diese Selbstverständlichkeit gefährdet Motivation und Leistung. Und sie begrenzt den Markt.
Sprengen Sie die Grenzen der Selbstverständlichkeit: Verkaufen ist nicht schwierig, wenn der Kunde nicht weiß, was er will. Verkaufen ist vielmehr erst möglich, wenn der Kunde nicht weiß, was er will. Das Recht des Kunden, nicht zu wissen, was er will, begründet nicht die Schwierigkeit des Verkaufes, sondern die Notwendigkeit des Verkäufers. Stellen Sie sich vor, Kunden wüssten was sie wollen. Brauchten sie dann noch Verkäufer? Wenn Kunden wissen, was sie wollen, gehen sie ins Internet oder zum Selbstbedienungsautomaten.

Muss ein Kunde wissen was er will?

Wir können es Kunden nicht übel nehmen und dürfen uns nicht dadurch irritieren lassen, dass sie nicht wissen, was sie kaufen wollen. Bei der aktuellen Fülle an Angeboten und der Riesenauswahl ist das auch ziemlich schwer. Es gibt ja so viele Möglichkeiten zum Ziel zu kommen, fast schon zu viele. Da kann man Kunden keinen Vorwurf machen.

Die Lösung liegt woanders. Denken wir es genauer: Was ist eigentlich mit „… weiß nicht, was er will“ wirklich gemeint? Über welches „Wollen“ reden wir da eigentlich? Ist es die Unwissenheit des Kunden darüber, „was er kaufen“ will? Oder darüber, „welches Anliegen er verwirklichen“ will? Meinen wir das konkrete Produkt, das er wollen soll, oder meinen wir das Ziel seines Kaufes? Es geht also um die Unterscheidung von Mittel und Zweck.

Was Kunden wissen

Kunden kennen ihren Zweck. In diesem Sinne wissen Kunden, was sie wollen: Sie wollen Nutzen – Nutzen im Sinne einer Wirkung, die Angst reduziert, Lust steigert oder Sinn stiftet. Das wissen Kunden bewusst–unbewusst genau. Daher muss sich ein Verkäufer mit ihnen über ihre Zwecke, ihre Vorhaben verständigen. Er muss sich ein Bild von ihrem Anliegen machen. Nutzen hat etwas damit zu tun, wie schnell ein Kunden mit dem, was er kauft, dorthin kommt, wo er hin will.

Kunden kennen nicht alle Mittel, die sie ihrem Zweck näher bringen. Und zwar möglichst schnell, möglichst kostengünstig und möglichst dauerhaft. Sie können nicht den Überblick haben über Geschwindigkeit, Preis und Qualität. Dazu fehlt ihnen die Erfahrung und das Wissen. Diesen Überblick hat der gute Verkäufer.

Servicequalität für unwissende Kunden

In der Anfangszeit systematischen Verkaufs galt: „Gib dem Kunden, was er will!“ Daraus wurde: „Gib dem Kunden nicht, was er will, gib ihm, was er braucht!“ In Zukunft gilt: „Gib dem Kunden nicht, was er will, sondern gib ihm was er braucht, um zu können was er will!“ Menschen brauchen nur, wenn sie Anliegen verfolgen. Menschen ohne Anliegen brauchen nichts.

Der Kunden kennt den Zweck, Der Verkäufer kennt das Mittel. Der gute Verkäufer ergänzt so das Kundenwissen mit seinem verkäuferischen Wissen. So bringt er die Ziele des Kunden mit den passenden Produkten oder Dienstleistungen zusammen.

Die Begründung für „gesättigter Markt“ lautet oftmals: „Die Kunden brauchen nichts (mehr)“. Als Gegenmaßnahme wird dann versucht, im Kunden durch Werbung, Aktionen, Rabatte, Sondermodelle u.ä. das „Gefühl des Brauchens“ zu fördern. Das führt nur zu Mehr vom Gleichen. Lösen Sie sich von der Bearbeitung und Förderung seines Brauchens. Blicken Sie mit dem Kunden hinter dieses Brauchen: „Was wollen sie denn, was haben Sie vor, wo wollen sie denn hin?“. Das wissen Kunden. Und vor dem Hintergrund dessen, wohin der Kunde will, gestalten Sie Ihre Angebote für ihn. Diese Angebote wird der Kunde dann brauchen, obwohl er vorher „nichts gebraucht“ hat.

Antworten auf nicht gestellte Fragen

Gesättigte Märkte haben sehr viel damit zu tun, dass wir unseren Kunden mit unseren Leistungen Fragen beantworten, die sie nicht gestellt haben. Ist es da verwunderlich, wenn sie nicht kaufen? So billig kann eine Antwort auf eine Frage, die ich mir nicht gestellt habe, gar nicht sein, dass ich sie als gute Antwort empfinde und Geld dafür ausgebe.

Märkte wären erst dann wirklich gesättigt, wenn sich Kunden keine relevanten Fragen mehr stellen. Davon sind wir weit entfernt. Im Gegenteil, Kunden stellen sich immer die gleichen Fragen und suchen nach neuen Antworten, mehr denn je. „Wie werde ich geliebt?“, „Wie sorge ich für Sicherheit?“, „Wie kann ich andere beeindrucken?“, „Wie kann ich es mir einfach machen?“. Verkäufer neigen dazu, den Kunden jene Frage zu unterstellen, die am Besten zu ihren alten Antworten passen, die sie beherrschen und immer wieder geben. „Wer nur den Hammer kennt, für den ist jedes Problem ein Nagel“.

Als Beispiel der Textilhandel: Ich glaube nicht, dass die Marktsituation dort hauptsächlich deswegen so ist, wie sie ist, weil die Konsumenten sparen, sondern weil die Kästen der Konsumenten voll sind. Und wenn die Kästen voll sind, ist Konsumverzicht natürlich leichter. Abverkäufe zu Saisonbeginn sind Antworten auf Fragen, die sich die meisten Kunden nicht stellen. In gesättigten Wohlstandsmärkten heißt die wichtigste Frage nicht „Wie gefalle ich um wenig Geld meiner Umwelt“ sondern „Wo finde ich noch Platz in meinem Kleiderkasten, welchen Kleiderhaken mache ich frei?“

Kundenorientierung durch Beziehungsqualität

Und im Geschäft bekommt die Kunden dann Dinge angeboten, die sie ohnehin auch zu Hause haben, nämlich die Produkte. Und die Menschen in den Geschäften kommen gar nicht auf die Idee, dass die Kunden Begegnungs- und Betreuungsqualität suchen. Und in vielen Fällen fehlt auch die Fähigkeit und Bereitschaft dazu. In Wohlstandsgesellschaften sind die Produktmärkte früher gesättigt als die Beziehungsmärkte. Wir haben aber zu viele Verkäufer, die nur auf Märkten für Produkte erfolgreich sind und oft sind wir organisatorisch so aufgestellt, das wir nur Märkte für Produkte bedienen können und nicht jene für Beziehungen. Für viele hat Verkaufen weniger mit Lust als vielmehr mit Frust zu tun, der erträglicher wäre, wenn es keine Kunden mehr gäbe. Das spüren die Kunden. Ihre Reaktion: sie wandern ins Internet ab, weil die Beziehungsqualität dort auf eine andere Art besser ist.

Servicequalität durch Arbeitsfreude

Verkäufer, die sich als Anliegenunterstützer und nicht als Produktlieferanten verstehen, machen aus dem Unwissen ihrer Kunden Geschäftsmöglichkeiten und erleben Märkte später als gesättigt. Sie denken weiter und erleben ihren Job angstfreier, lustvoller  und sinnstiftender. Und sie steigern damit ihre Servicequalität erfolgsentscheidend.

 

Nun fehlt noch das 7. Kapitel der „Legende vom gesättigten Markt“. Das nächste Mal werden wir uns damit beschäftigen, welche Auswirkung die Einstellung zu Kunden auf die Marktsättigung hat und welche Grundhaltung den meisten Erfolg verspricht, wenn es darum geht, Marktsättigung zu verhindern.